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Wer wir sind

Fragen an die Geschichte

Transparenz als Leitgebot

Der Hamburger Kaufmann Alfred Toepfer gründete die Stiftung F.V.S. im Jahre 1931, sie wurde nach seinem Tod 1993 nach ihrem Stifter benannt. Die von der Familie gewünschte Aufnahme des Namens des Stifters in die Bezeichnung der Stiftung wird heute nicht als eine undifferenzierte Respektsbezeugung verstanden, sondern als Akt der Transparenz zur Herkunft des Stiftungsvermögens. Aufgrund ihrer lange zurückreichenden Geschichte sieht sich die Stiftung in einer besonderen Verantwortung, ihr Wirken und die kulturellen, politischen und geschäftlichen Aktivitäten Alfred Toepfers zu erforschen und der Öffentlichkeit transparent zu machen. Für wissenschaftliche Untersuchungen zur Geschichte Alfred Toepfers, seiner Stiftungen und Unternehmungen stellt die Toepfer Stiftung auf Antrag Ressourcen zur Verfügung, deren Vergabe einer unabhängigen Begutachtung unterliegt.

Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. - Geschichte

Der Forschungsstand ebenso wie das Nachdenken über die Beurteilung und die Konsequenzen aus den Forschungsergebnissen ist kein abgeschlossener Prozess. Die heute für die Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. Tätigen und viele ihrer Wegbegleiter befinden sich in fortdauernder Reflexion dazu. Auch von einzelnen Dritten werden Fragen an die Stiftung gestellt bezüglich der Biographie Alfred Toepfers, bezüglich der Geschichte der Stiftung und – vereinzelt – auch bezüglich der Unabhängigkeit des Prozesses der historischen Aufarbeitung. Die Stiftung begegnet diesen Fragen mit Offenheit, unterstützt Forschungsinteressen mit Zugang zu historischen Quellen und ist bemüht ein hohes Maß an Transparenz über offene Fragen und strittige Bewertungen herzustellen. Es ist uns ein dringliches Anliegen, die Tätigkeiten des Stifters weder zu relativieren noch zu verharmlosen und allen Interessierten die Kenntnisnahme der Geschichte und eigene Bewertungen zu ermöglichen.

Als Ausgangspunkt für die weitere Arbeit der Toepfer Stiftung sieht diese zunächst die Notwendigkeit, verschiedene im Rahmen der wissenschaftlichen Forschung ermittelten Tatsachen ausdrücklich und transparent anzuerkennen und potenzielle Kooperationspartner darauf zu verweisen. Hierzu gehören irritierende Fakten zu Toepfers Unterstützung für einzelne Zielsetzungen, Personen und Organisationen des nationalsozialistischen Regimes wie auch zu personellen Kontinuitäten in der Nachkriegszeit.

In diesem Zusammenhang sind insbesondere zu nennen:

  • seine Sympathie und seine aktive Unterstützung für die “Volkstumspolitik” des “Dritten Reichs”, besonders mit Blick auf die deutschen Minderheiten „an den Grenzen des Reiches“, sowie seine Unterstützung deutsch-nationaler Aktivitäten im Elsass

  • sein intensives Bemühen um Kontakte zu einzelnen führenden Repräsentanten des Nazi-Regimes, darunter Rudolf Heß, Joseph Goebbels, Heinrich Himmler sowie verschiedenen weiteren Funktionsträgern

  • seine Zusammenarbeit mit – und Unterstützung für – kulturelle Aktivitäten und Prioritäten des Nazi-Regimes, insbesondere durch die regimekonforme Ausrichtung von Kulturpreisaktivitäten sowie hiermit in Zusammenhang stehende Stipendien

  • seine Unterstützung für Organisationen, die entweder dem Nazi-Regime eng verbunden oder gar integraler Bestandteil des Regimes waren, wie etwa dem VDA, dem Toepfer das Landgut Kalkhorst der Stiftung F.V.S. als „Reichsführerschule“ zur Verfügung stellte

  • seine Rolle als Wehrmachtsoffizier in der Abwehr von 1940 bis 1945, hier insbesondere seine wirtschaftlichen Bemühungen, in Frankreich in den Jahren 1943/1944 kriegswichtige Mittel für Deutschland zu mobilisieren

  • individuelle Transaktionen von Tochterfirmen des Toepfer-Konzerns im besetzten Polen während des zweiten Weltkrieges, die Lebensmittel und Baustoffe an die Ghettoverwaltung von Lodz lieferten. Die von dem Historiker Dr. Christian Gerlach im Zuge der historischen Aufarbeitung der Stiftungsgeschichte publizierte Vermutung, in diesem Zusammenhang gelieferter „Löschkalk“ sei für die Abdeckung von Massengräbern der im Ghetto ermordeten Menschen genutzt worden, hat sich durch weitergehende Forschung zwischenzeitlich als unzutreffend erwiesen

  • die Einstellung – und damit Unterstützung – von zum Teil hochrangigen ehemaligen Funktionsträgern oder Unterstützern des Nazi-Regimes in seinen Unternehmungen nach Kriegsende, von denen einige maßgebliche Verantwortung für die Organisation und Durchführung des Holocausts in Ost- oder Südosteuropa trugen, darunter Edmund Veesenmayer, Kurt Haller, Hans Joachim Riecke

  • eine langjährige Zusammenarbeit und Arbeitsbeziehungen in seiner Stiftungsarbeit mit weiteren Funktionsträgern und Wissenschaftlern, die in unterschiedlichen Formen oder durch verschiedene Aktivitäten das Nazi-Regime, seine militärischen Aggressionen wie auch seinen grausamen Rassismus während der Zeit des „dritten Reichs“ unterstützt oder gerechtfertigt haben wie zum Beispiel Konrad Henlein, Gustav Adolf Rein, Friedrich Metz, Johann Friedrich Blunck oder Georg Rauschning

  • seine Unterstützung für oder Duldung von Preiszuerkennungen seiner Stiftungen nach dem zweiten Weltkrieg an Menschen, die das Nazi-Regime während der Zeit des „Dritten Reichs“ entweder aktiv unterstützt oder gerechtfertigt haben.

Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. - Geschichte

Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse sind für die Stiftung und die dort Tätigen heute umso irritierender, als dass Toepfer nach dem Zweiten Weltkrieg, wie viele seiner Generation, nie öffentlich seine eigenen Verstrickungen in dieser Zeit oder der Nachkriegszeit thematisiert oder gar eigene Schuld oder persönliche Fehler eingestanden hat. Vielmehr hat Toepfer zu verschiedenen Gelegenheiten eigene Verstrickungen von sich gewiesen und Aspekte seiner Biographie auch gegenüber engsten Wegbegleitern so dargestellt, als habe er dem Regime als Gegner, jedenfalls mit kritischer persönlicher Distanz gegenüber gestanden.

Ein uneingeschränktes Anerkenntnis der vorgenannten Fakten und eine Offenheit in der Kenntnisnahme neuer wissenschaftlicher Forschungsergebnisse sind daher inbesonderer Weise Voraussetzungen für die Arbeit der Stiftung heute. Es steht außer Frage, dass sich die Stiftung heute von den Verstrickungen Alfred Toepfers in der Zeit des Nationalsozialismus sowie seiner Unterstützung für Vertreter des Regimes in der Nachkriegszeit distanziert und diese uneingeschränkt bedauert.

Verweise auf die zahlreichen und umfassenden Verdienste Toepfers als Stifter und Mäzen in der Nachkriegszeit sowie die Tatsache, dass Toepfer nach den Erkenntnissen der Kommission weder Mitglied der nationalsozialistischen Partei noch in Kriegsverbrechen oder der aktiven Verfolgung einzelner Bevölkerungsteile involviert war, sollen und können dabei diese Fakten nicht relativieren. Es bleibt zugleich Aufgabe der Stiftung, für einen qualifizierten und differenzierten Umgang mit Geschichte zu werben.

Neben diesem Bemühen um Erforschung und Anerkenntnis der Ergebnisse übernimmt die Stiftung heute vor allem Verantwortung für die Geschichte durch ihre programmatische Arbeit. So hat sich die Toepfer Stiftung von dem auf der Vorstellung von „Kulturräumen“ basierenden früheren Preisprogramm gelöst und stattdessen ihre Ressourcen darauf konzentriert, Künstler und Wissenschaftler zu fördern, die für grenzüberschreitenden Austausch, interkulturelle Begegnung und Verständigung stehen. Die Förderung des Dialogs, die Ermutigung zum Austausch und die Stärkung von Toleranz sind Kernanliegen der Stiftungsarbeit heute. Dies gilt für die europaweiten Stipendienaktivitäten, für die Programmarbeit wie auch für die Preise, mit denen in den letzten Jahren immer wieder Menschen für ihren hartnäckigen, couragierten, ideenreichen und fachlich herausragenden Umgang mit Geschichte und ihren Einsatz für Toleranz, Verständigung und kulturelle Vielfalt gewürdigt wurden.

Geschichte des Stifters und der Institution

Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. - Geschichte

Alfred Toepfer wurde 1894 geboren. Er baute in den 1920er Jahren mit großem Erfolg ein Handelsunternehmen für landwirtschaftliche Produkte auf und ließ deren Erträge 1931 in die Stiftung F. V. S. einfließen, benannt vermutlich nach dem preußischen Reformer und Freiherrn vom Stein. Seine politischen Vorstellungen in dieser Zeit wurden insbesondere von der Pflege des Auslandsdeutschtums, der Förderung einer naturnahen Jugendbewegung und wirtschaftlicher Liberalität geprägt, eine Parteiorientierung ließ sich dabei nicht erkennen.

Ein begeisterter Anhänger des Nationalsozialismus wurde Toepfer nach 1933 nicht. In vielen Details ist jedoch Toepfers Unterstützung für einzelne Ziele, Personen und Organisationen des nationalsozialistischen Regimes nachzuweisen, wie in den Publikationen ausgeführt wird. Im Jahr 1938 zog er sich wegen Problemen mit der Finanzverwaltung aus der Firma zurück, wurde deswegen auch kurzzeitig inhaftiert.

Ab 1940 diente Toepfer bei der Wehrmacht, zunächst in der Abwehr, später bei der Devisenbeschaffung. Nach dem Krieg wurde er zunächst interniert, in den folgenden Entnazifizierungsverfahren wurde er als „nicht belastet“ eingestuft und nahm die unternehmerische und philanthropische Arbeit wieder auf.

Toepfer gründete am 5. Dezember 1931 die Stiftung F.V.S. zu Hamburg und prägte die Geschicke der Stiftung bis zu seinem Tode 1993 maßgeblich.

Die Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. steht aufgrund ihrer bis in das Jahr 1931 zurückreichenden Geschichte in besonderer Verantwortung, das kulturelle, geschäftliche und politische Wirken Alfred Toepfers und seiner Stiftungen zu erforschen. Die Aufarbeitung der Stiftungsgeschichte von den Anfängen bis zum Jahre 1945 durch eine Wissenschaftliche Kommission (erschienen 2000) und die Aufarbeitung der Geschichte einzelner Stiftungspreise seit den 50er Jahren (erschienen 2003) legten dazu eine Basis. Eine umfassende Auseinandersetzung mit der Debatte um die Rolle Toepfers in der Zeit des Nationalsozialismus sowie der Nachkriegszeit, die eine Übersicht über verschiedene Positionen und Diskussionslinien ermöglicht, findet sich in dem Buch von Richard J. Evans The Third Reich in History and Memory (Oxford University Press, 2015). In dem Kapitel „The Fellow Traveller“ (Seiten 206 bis 238) beschreibt Evans, Regius Professor of History in Cambridge, nicht nur seine Begegnungen mit Alfred Toepfer und dessen Stiftungen, sondern setzt sich auch umfassend mit der Kontroverse um die Stiftungsgeschichte auseinander.

Die Debatten zur Stiftungsgeschichte

Die Geschichte der Stiftung F.V.S. und die biografischen Stationen des Stifters Alfred Toepfer bleiben Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen und kritischer Begleitung der Stiftungsaktivitäten. Die Debatten zur Stiftungsgeschichte machen wir auf dieser Seite öffentlich. Für weitere Hinweise zu einem verantwortlichen Umgang mit unserer Geschichte sind wir offen und dankbar.

Die Stiftungsgeschichte und das Wirken von Alfred Toepfer werden bisher von einer überschaubaren Zahl von Historikern fachkundig wissenschaftlich bearbeitet. Die Schlussfolgerungen aus den Forschungsergebnissen bleiben ebenso Gegenstand einer Debatte unter den Historikern wie die Vorgehensweisen zu einzelnen Forschungsgegenständen. Insbesondere zwei Ebenen spielen in diesen Debatten eine Rolle: Einzelne inhaltliche Aspekte, die von Forschern unterschiedlich eingeschätzt werden. Unter methodischen Aspekten wird wiederholt die Frage der Unabhängigkeit der Untersuchungskommission ins Feld geführt. Beide Aspekte spielen bei den Publikationen und Interventionen des im Bereich der Wissenschaftsgeschichte forschenden Geografen Dr. Michael Fahlbusch und des historisch interessierten Publizisten Lionel Boissou eine Rolle. Darüber hinaus forschte 2010 in Großbritannien der Politikwissenschaftler Dr. Michael Pinto-Duschinsky zu Alfred Toepfer und seinem stifterischen wie unternehmerischen Wirken. Pinto-Duschinsky befasste sich insbesondere damit, ob und in welchem Umfang Toepfer nach 1945 noch Kontakt zu nationalsozialistischen Entscheidungsträgern gepflegt hat und solche Personen in seinen Unternehmen beschäftigte.

Die Stiftung unterstützt Recherchen und andere seriöse Forschungsvorhaben nach ihren Möglichkeiten durch den Zugang zu Archiven sowie durch Vermittlung von Vorrecherchen. In diesem Sinne und zur Ermöglichung weitergehender wissenschaftlicher Forschung hat die Carl-Toepfer-Stiftung das bei ihr geführte Alfred-Toepfer-Archiv im Frühjahr 2010 an die unabhängige Stiftung Hanseatisches Wirtschaftsarchiv überführt.

Publikationen zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Stiftungsgeschichte

Die Geschichte der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. und ihres Stifters ist Gegenstand verschiedener wissenschaftlicher Untersuchungen und der öffentlichen Debatte.

Die folgenden Publikationen beleuchten das Wirken Alfred Toepfers aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Sie sind mit Ausnahme der Biographie Alfred Toepfers von Jan Zimmermann und der Geschichte des Shakespeare-Preises von Jürgen Schlaeger im Christians Verlag erschienen. Da der Verlag seine Tätigkeit mittlerweile eingestellt hat, sind sie leider nur noch in begrenzter Zahl im Buchhandel erhältlich, können aber in vielen öffentlichen Bibliotheken eingesehen werden. Bei Interesse können Einzelexemplare außerdem gegen frankierten Rückumschlag bei der Toepfer Stiftung bezogen werden:

Kontakt

Uta Gielke Programmleitung Kultur

+49 40 33 402 – 14gielke@toepfer-stiftung.de